Was macht deutsches SEO aus?
Während ich diesen Beitrag schreibe, sitze ich gerade in meinem Hotelzimmer in Alicante. Ich hatte das Glück, einige echt fitte spanische SEOs kennenzulernen und mich über die SEO Branche dort zu unterhalten. Da liegt es nahe, einmal einen Vergleich Deutschland vs. andere Länder zu ziehen. Bitte verzeiht mir, wenn ich in diesem Blogpost etwas pauschalisiere. Es ist natürlich nicht jeder deutsche SEO so und jeder Amerikaner so, aber auf die Branche gesehen stimmen viele Dinge (meiner Meinung nach).
Das Seoktoberfest: Hier treffen sich einmal im Jahr SEOs aus der ganzen Welt in München.
Deutschland: Land der Ingenieure und Toolanbieter
Deutschland hat SEO Tools wie kein anderes Land. Ich will hier keine Vergleiche ziehen, aber Sistrix, Searchmetrics, Seolytics und Xovi sind Tools in einem Format, die es in anderen Ländern schlichtweg nicht gibt. Wir bemerken es gar nicht, aber wir sind in dieser Hinsicht nicht nur gut, sondern exzellent aufgestellt. Woran liegt das? Ein bisschen an der deutschen Genauigkeit und Präzision. Viele ausländische Tools sind ungenau oder messen die Daten falsch, was manche nicht zu kümmern scheint.
Hingegen wäre es eine Katastrophe, wenn einer der obengenannten Toolanbieter einmal falsche Daten zur Verfügung stellen würde. Behaltet aber vor allem eines im Kopf: So normal es in Deutschland ist, dass man ein All-in-One SEO Tool nutzt, so unnormal ist es in anderen Ländern. Die wenigsten SEOs (auch in den USA) nutzen so hochkarätige Tools wie die Deutschen.
Kreativität und Marketinggeist in Deutschland
Tja, da sind wir ein wenig hinten dran. Die USA laufen Deutschland in Sachen Kreativität definitiv den Rang ab. Es passiert zu oft, dass bei uns nach Schema F gearbeitet wird, da sind die Amerikaner deutlich flexibler. Wir nehmen allerdings gerne Trends aus den USA auf und das auch ganz schnell. Trotzdem sind gerade in dieser Hinsicht die USA immer einige Monate voraus.
Das liegt aber nicht nur an den deutschen SEOs, sondern an der deutschen Internetlandschaft insgesamt. Während es damals in den USA schon Facebook gab, waren in Deutschland die meisten User noch bei den Lokalisten oder StudiVZ. Social Media läuft auch heute noch anders als in anderen Ländern. In Deutschland nutzen etwa 1 % der Bevölkerung Twitter, in Spanien sind es 14 %. Auch in den USA sind es immerhin 11 %. Ich sage dazu immer, dass in Deutschland nur Prominente und Online Marketer, sowie große Marken Twitter nutzen. Ich habe nur einen einzigen Freund, der Twitter privat nutzt (und das ganz selten).
Gut gemachte Contentaktionen werden in anderen Ländern viel schneller von großen Webseiten aufgegriffen. Ein Techcrunch interessiert sich nicht großartig dafür, wer die Quelle ist, wenn der Inhalt gut ist. Eine große deutsche Tageszeitung scheut sich, kleinere Blogs und Webseiten als Quelle zu verwenden. Und verlinkt wird von großen Tageszeitungen schon einmal gar nicht.
Barrieren und Schranken, auch rechtlicher Natur, sind es meistens, die uns in Deutschland das Leben schwer machen. Schon mal Content Marketing betrieben? Ein tolles Bild gefunden? Und dann kann man es aus Angst vor Abmahnungen nicht verwenden? In Spanien oder auch in den USA sieht man solche Dinge gelassen. In Deutschland muss man sehr aufpassen, besonders wegen der starken Position von Verlagen, Urhebern und Unternehmen, die bei uns leider mehr als starr sind.
Niveau von SEO: Im Durchschnitt höher
Ich lehne mich einmal weit aus dem Fenster und behaupte, dass das generelle Niveau von SEO in Deutschland höher ist als in den USA oder in Spanien. Natürlich gibt es in den USA großartige SEOs, die es hierzulande nicht gibt. Aber es wird oft übersehen, dass es dort noch viel mehr schlechte SEOs gibt, die Dinge betreiben, bei denen man nur den Kopf schütteln kann. Wer sich für solche Dinge interessiert, der sollte mal in amerikanischen Foren unterwegs sein. Wer in den USA einen schlechten Dienstleister erwischt, der kann komplett aus dem Index fliegen oder der Dienstleister arbeitet schlichtweg überhaupt nichts. In Deutschland kann so etwas natürlich auch passieren, aber viel seltener als woanders. Hier sind unsere strengen regulatorischen Gesetze von Nutze, denn spammen oder betrügen funktioniert nicht so leicht und folgenlos wie in anderen Ländern.
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Früher waren uns die USA ein, eher zwei Jahre voraus. Mittlerweile sehe ich das nicht mehr so. In vielen Dingen ist Amerika anders als Deutschland, aber Trends kommen viel schneller zu uns als noch vor fünf Jahren. Schuld daran ist Social Media, das ganz flott alle Trends aus den USA nach spätestens einem Tag nach Deutschland bringt. In Deutschland ist man allerdings nicht so trendfreudig wie in den USA und wartet oft ab, wie sich die Dinge auf der anderen Seite des großen Teichs entwickeln. Was funktioniert, wird dann adaptiert.
Deutschland: Faken statt echtes Marketing?
Manchmal funktioniert etwas in den USA, in Deutschland allerdings überhaupt nicht. Vor langer Zeit etwa gab es Digg.com oder auch Reddit als „Social News“ Portale. In Spanien gibt es menéame, das Pendant zu Digg.com. In Deutschland starteten Yigg und Mister Wong. Beide Portale scheiterten, weil ihnen die echten User fehlten. Stattdessen gab es dort haufenweise SEOs, die Links abluden und versuchten, dort mit Tricksereien auf Platz 1 zu kommen. Vielleicht liegt es in unserer deutschen Art die Dinge effizient zu gestalten, dass wir oft den Direkten und kürzesten Weg zum Ziel gehen. Im SEO Bereich ist der kürzeste, einfachste Weg meistens auch der schlechteste. Während Yigg momentan gar nicht erreichbar ist, scheint aus Mister Wong eine Modeseite geworden zu sein.
Exkurs: SEO in Spanien
Ein paar Fakten noch zu Spanien, wo ich schon einmal dort bin und ein paar Infos geholt habe. In Spanien konzentriert sich die SEO Branche fast ausschließlich auf die Südküste, im Zentrum wie in Madrid gibt es weniger SEOs. Die Branche an sich ist überhaupt nicht so organisiert wie in Deutschland. Während wir hier gefühlt ein Dutzend Konferenzen haben, gibt es in Spanien kaum SEO Konferenzen. Internationale Konferenzen wie die SMX scheinen auch schwer möglich zu sein, denn ein Großteil der spanischen Online Marketer spricht wenig oder gar kein Englisch.
Von der Arbeitsweise her schätze ich die Spanier so ein, dass hier zwar mancherorts schon viel mit Content Marketing gemacht wird, aber das „klassische“ SEO (Link-Kauf oder -tausch) noch stark überwiegt. Der E-Commerce Markt in Spanien ist noch nicht so weit wie anderswo. Amazon gibt es hier erst seit zwei Jahren und auch sonst kaufen die Leute viel weniger online ein als in Deutschland oder in den USA. Der spanische Online Markt ist (auch aus Sicht der Spanier) rund 1-2 Jahre hinter dem deutschen hinterher. Hingegen ist in Sachen Social Media, wie auch schon mit Twitter erwähnt, die spanische Nation viel teilfreudiger als die deutsche. Es gibt mehr große Blogs und Blogger haben einen viel größeren Einfluss als bei uns – auch in den klassischen Medien.
Eine große Rolle spielt auch, dass die lateinamerikanischen Länder die gleiche Sprache haben. Hier hat man quasi nebenbei noch einen zweiten, riesigen Zielmarkt. Viele Spanier spielen dort mit, ebenso viele Lateinamerikaner in Spanien.
Fazit: Locker(er) werden und Tugenden erhalten
Ich habe jetzt einmal Spanien und die USA als Gegenpole gebracht. In Großbritannien ist die Situation ähnlich wie in den USA, während in Russland beispielsweise der Spam das Szepter in der Hand hält. Wir Deutschen sind für meine Begriffe ein wenig zu steif. Das liegt teilweise an der Gesellschaft, teilweise an unserer Denkweise. Im internationalen Vergleich schneiden wir nicht schlecht ab. Wenn ausländische SEO-Blogs oder News in den USA genannt werden, dann sind das sehr oft deutsche Webseiten. Man respektiert und achtet uns – vor allem als die Analysten, weniger als die kreativen Marketer. Vielleicht sollten wir mehr in die kreative Richtung gehen – was meint Ihr?
Schön, den Punkt es funktioniert etwas in den USA aber in Deutschland überhaupt nicht, kann man so nur unterstreichen. Mr.Wong ist auch ein echt gutes Beispiel. Design sogar xFach besser als reddit ist es ohne Worte. Ist so wenn mans 99% zum Linkbuilding verwendet und 1% um interessante Inhalte zu teilen.
Deutsche SEOs scheinen sich auch gleich auf alles zu stürzen ohne Rücksicht auf Verluste.
Wenn man der Studie folgt wer so ge Marked Upped hat mir Schema .org dann sind wir da weit vorn. Auch dass kann man als „unserer deutsche Art die Dinge effizient zu gestalten“ bezeichnen.
SEOs die nur auf den schnellen Link aus sind, nehmen uns aber gerade im Online Marketing viele Möglichkeiten in dem man z.B. Mr.Wong als Backlinkportal nutzt (und Twitter wird hier auch nicht grad anders verwendet). Die gibt es in den USA vielleicht auch, aber wir sind eben das kleinere Volk…
Genug geschrieben – toller Beitrag – musste ich Klicken, Lesen und Kommentieren.
Julian, interessanter Beitrag. Hab nur den Vergleich zu russischen SEOs, der Rest halt vom Mitlesen in Blogs. Würde das alles aber so unterschreiben. Auf die abschließende Frage würde ich allerdings ein „Schuster bleib bei deinen Leisten!“ antworten. Wir „ticken“ hier halt anders. Und das ist ok. Wir sind, wer wir sind.
Hi Julian,
I agree with most of your points, but I don’t agree about the Spanish market.
Myself working from Holland the last few years, but before I lived in Barcelona and I am active on the Spanish market since 2006 working on international projects.
I disagree that most of the SEO industry is based on the Southcoast of Spain. Some well known individuals do live there, but the big majority is based in the Barcelona and Madrid area. Both individuals as well as the bigger agencies.
Also in Spain for years international conferences are held, but not always a big succes. Myself I have been a speaker at SMX Madrid and Searchcongress Barcelona in the past. SMX doesn’t exist anymore but Searchcongress still going strong. Also OME in Barcelona http://www.easyfairs.com/events_216/omexpo-week_43530/omweek_43531/omweek-barcelona_49116/search-marketing-day_49121/ and Madrid http://www.easyfairs.com/en/events_216/omexpo-2014_44810/omexpo-2014_44811/ do both have national and international speakers, including well known German SEO’s .
Off course also more locally focussed SEO events are hold. Every year the Spanish SEO community joins http://www.seonthebeach.es and http://www.congresoseoprofesional.com more locally focussed.
One thing is for sure, the Spanish is still behind but learning.
Deckt sich zu 100% mit meiner Erfahrung. Die Gespräche mit den „clientes espanoles“ müssen auch ganz anders geführt werden, als mit den Kunden aus der DACH-Region. Wobei es natürlich auch schon Unterschiede in den deutschsprachigen Ländern gibt.
Fakt ist… die Arbeitsmoral der spanischen Durchschnittsbevölkerung ist deutlich tiefer als in Deutschland und das spiegelt sich auch im SEO-Bereich wieder. ABER wie Du schon sagst… kreativ ist anders, wobei es hier mittlerweile auch ganz interessante Ansätze gibt und meiner Meinung nach werden wir hier immer besser…
Dass wir in D etwas hinter den USA her hinken liegt meiner Meinung nach auch an der Sprachbarriere.
Natürlich sollte jemand der SEO Hauptberuflich betreibt Englisch und „SEO“-englisch fließend verstehen, aber der kleine Blogbetreiber mit zwei, drei oder fünf privaten Seiten und vielleicht noch eine Vereinsseite dazu ist in aller Regel damit überfordert und ist darauf angewiesen dass es Seiten gibt die es „eindeutschen“.
Allerdings wird dann in den Artikel sehr oft wieder auf englische Videos und Texte verwiesen so dass bei Nicht-SEOs nur ein Teil ankommt.
Dass es so unterschiedliche Auffassungen von SEO gibt, überrascht mich. Ich dachte alle betreiben SEO gleich und alle „SEOisten“ warten gespannt auf neue Matt Cutt Videos, Erklärungen, Androhungen und „Anweisungen“.
Vielen Dank für diesen Einblick 🙂
Sehr, sehr interessante und richtige Denkansatz. Siehe die gleiche Unterschiede bei NL und DE und bietet Durchaus interessante Möglichkeiten im kreativen Bereich. Ob es dann durchführbar ist in DE mit die sehr strenge Regeln und Abmahnungen wird sich dann ausweisen.
Wünsche euch sehr viel Spass in Spanien!
Danke für den Artikel Julian. Ich glaube, der spanische Markt tickt gewaltig anders, als der Deutsche. Das hängt aber nicht, wie Mario Jung geschrieben hat, mit der Arbeitsmoral zusammen (ich weiß ja nicht, wo die Arbeitsmoral bei Hartz4 und Co. ist), sondern eher mit dem berühmten technischen Rückschritt. Das hier noch nicht so viel im Internet „gekauft“ wird, hängt wohl eher in der katastrophalen Verkabelung des Landes zusammen. Da kann man gerne auch die lateinamerikanischen Länder mit einbeziehen. Im Gegenzug zum Mobilfunknetz, das relativ gut ausgebaut ist, gibt es immer noch sehr viele Gegenden mit 1Mb… Da wird Einkaufen am Computer zur wahren Freude… Ene Änderung ist bei Smartphones und Co. in Sicht. Spanier spielen gerne – da müssen einfach andere Marketingstrategien aufgestellt werden. Außerdem spielen hier auch die Wirtschaftskrise und die ökonomische Lage des Landes eine nicht geringe Rolle. Ich glaube allerdings, dass hier eine der großen Goldgruben darauf wartet, gediggert zu werden. Mal sehen, wer als erster die richtige Strategie findet.
Brasilien rockt. Für deutsche SEOs mit entsprechenden Sprachkenntnissen wäre dies ein sehr interessantes Land…
Hi Julian, geiler Gimmick mit der URL des Posts im Kontext zum Titel 🙂
Danke für diesen Exkurs! Wenn die Sprachbarriere nicht wäre, hätten mich Projekte in anderen Ländern schon öfter sehr angelächelt…
Viel Spaß noch in Spanien 😉
Hi Julian, macht wie immer Spaß, den Artikel zu lesen 🙂 Mich würde mal deine Einschätzung zu UK interessieren. Meiner Erfahrung nach ist hier SEO und generell Online Marketing im Europäischen bzw. auch globalen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau. Liegt aber vielleicht auch an den Usern, da sich diese schneller auf Neuerungen einlassen. Beispiel Gutschein-Marketing: Als dieses Thema in UK aufkam, wurde es sehr schnell von den Usern angenommen und die Nachfrage stieg gewaltig (zum Wohle von Leuten wie Mark Pearson). In Deutschland haben die SEOs und Affiliates das Thema relativ schnell aufgeriffen, doch bei den Usern hat es ziemlich lange gedauert bis das Thema überhaupt verstanden und angenommen wurde. Das Thema wurde mehr oder minder von SEO Affiliates in den Markt reingepresst, hier war das Angebot – Nachfrage Verhältnis ganz anders ausgeprägt als in UK. Was ich damit meine: Die SEOs und Online Marketer in DE sind zeimlich fix und springen sehr schnell auf neue Züge auf – bei den Usern dauert es in DE dann doch etwas länger als z.B. in US oder UK.
Interessanter Artikel und Vergleich, vor allem zu der deutschen Qualität :). Wie schätzt Du insgesamt den Online Markt in den genannten Ländern ein, sprich Deutschland 1/5 von den USA, Spanien, halb so groß wie DE oder liegen sie dort deutlich weiter zurück was z.B. die Anzahl an Webshops, SEO Agenturen, große Portale wie Mobile , immoscout & Co usw. betrifft?
Hi Lennert,
I told your opinion my spanish friends and they agreed. When they told me, that all SEOs are on the coast it was already very late (=beer) and I think they didn’t know that I would blog this. However they told me that most GOOD SEOs live on the coastline. 🙂
@Chris Szepanski, das hatte ich gar nicht gesehen! 🙂
@Phil: Ja, UK ist schon sehr weit entwickelt. In Europa haben wir hier den am meisten umkämpften Markt, aber Deutschland ist am umsatzstärksten.
@Florian: Vom Volumen kann man das nur schwer abschätzen. Ich würde einmal grob behaupten, dass man als Webshop in den USA den drei- bis fünffachen Markt hat. Als Blog hingegen ist es halt so, dass man als englischsprachiger Blog wahrscheinlich 20x mehr User hat, weil ja auch Leute aus Indien oder China englischsprachige Blogs lesen.
Mit dem spanischen Markt kenne ich mich leider noch nicht genug aus, aber halb so groß könnte wahrscheinlich hinkommen. Wobei man eben hier als Blogger auch mehr Outreach hat, Stichwort Südamerika.
Hi Julian,
die Bimmel klingt schon recht gut. Wir haben hier in den alten Bundesländern schon recht gute Proggys parat, aber die Ergebnisse jener Proggys sind zwar sehr genau, aber wofür genau?
Viel Lieb
Seoloki